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Genießen wie Gott in Frankreich - Doch wie essen Franzosen wirklich? - Ein Überblick

  • Autorenbild: Mon
    Mon
  • 7. Apr. 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Okt. 2024


Im Office de Tourisme - Place Bellecour
Ich beim "rendez-vous" mit Monsieur Paul

Man muss nicht Paul Bocuse heissen, um in Frankreich oder in Lyon, wo ich lebe, lecker zu essen. Gute Restaurants, Bars und Brasserien, die Menüs oder Plats (Einfaches Tellergericht) servieren, finden sich an jeder Ecke und für jeden Geschmack. In der Stadt genauso, wie auf dem Land in einem kleinen Weindorf im Beaujolais. Allein Lyon zählt fast 4000 (!) Restaurants. Von ganz einfach bis feudal, von vegan bis gutbürgerlich, von preisgünstig bis sehr teuer, alles ist möglich. Soweit bekannt.

Dennoch haben unsere französischen Nachbarn so einige gastronomische Eigenheiten, die Nicht- Einheimischen weniger bekannt sind, die sich unbedingt lohnen kennen zu lernen. Denn der berühmte französische Lifestyle ist tief von diesen Gewohnheiten geprägt. Genau das macht ja einen Teil des Charmes aus, den Deutsche an einem Frankreichurlaub so lieben. Und dass Franzosen eine ganze Menge vom Genießen verstehen, zeige ich Dir in diesem Blog-Artikel.


Und essen können Franzosen eigentlich zu jeder Tageszeit…


Frühstück - eine süße Angelegenheit

Frühstück
Frühstück in Frankreich - vor allem süß!

Der Tag fängt wie in Deutschland natürlich mit einem Frühstück an. Allerdings gar nicht so, wie viele Deutsche meinen und es in ihrem Frankreichurlaub so "typisch französisch" genießen. Franzosen selber frühstücken nämlich eher sehr spartanisch. Und vor allem sind sie es nicht gewohnt - und wie viele Deutsche es lieben - Käse, Wurst und Eier zum Frühstück zu essen.

Das ist völlig unfranzösisch!


Ein klassisches Frühstück - unter der Woche - ist eher unspektakulär. Ein Café au Lait und eine Tartine, (ein Stück Baguette, zwiebackähnliches Brot oder Toastbrot) bestrichen mit ein wenig Butter und Marmelade. Manche tunken auch nur einen dicken Frühstückskeks in den Kaffee. Damit hat es sich eigentlich auch schon. Nicht sehr romantisch, nicht wahr? Französische Kinder frühstücken meist eine große Schale mit Cerealien (also Cornflakes oder ähnliches) - mit Milch, oft auch ohne. Ein Glas Saft dazu und fertig. Richtig viel Zeit nehmen sich die Frenchies fürs Frühstücken unter der Woche nicht. 10 Minuten müssen da meistens reichen. Hat der Franzose Zeit, dann ist das Frühstück schon eher so, wie wir uns das vorstellen. Ein traditionelles "ptit déj“ (Frühstück) mit allem drum und dran.


Die Mittagspause um Punkt (!) 12 Uhr


Ihr solltet gar nicht erst versuchen, in einem Büro 5 Minuten vor Mittag noch anrufen zu wollen. Da wird niemand mehr den Hörer abheben. Denn es ist Mittagspause. Und diese Zeit ist dem Franzosen heilig. Dafür nimmt er sich Zeit! Um kurz vor 12 Uhr lässt er gerne im Büro den Stift fallen und geht mit den Kollegen ins Restaurant nebenan essen. Dort bestellt er in der Regel ein "Menu du Midi", ein Mittagsmenü, bestehend aus 3 Gängen. Ein einfaches aber gutes Essen und relativ schnell serviert.

Die heilige Mittagspause - Um 12 Uhr wird es voll:-)

Ein gutes Zeichen für ein beliebtes Mittagsrestaurant auf dem Land sind übrigens die Handwerkerbüschen. Handwerker auf Montage haben ein feines Näschen für gute und preiswerte Küche und sind oft in Gruppen unterwegs. Die beliebten Restaurants der Gegend sind deswegen auch unter der Woche schnell rappel voll. Ein freundliches aber bestimmtes „Desolée“ heißt dann auch, „Tut mir leid“, es gibt keinen Platz mehr. Es lohnt sich also am Vormittag zu reservieren.

Aber vielleicht findet ja der Restaurantchef (Patron) auch noch ein Plätzchen für 2 unvorhergesehene Gäste. Da wird dann schon mal einfach gemütlich zusammengerückt. Mein Tipp: Unbedingt die Gastlichkeit annehmen!

Unter 40 Minuten Pause läuft in Frankreich allerdings nix. Im Restaurant ist das natürlich kaum zu machen. Da sind 1 bis 1 1/2 Stunden Mittagspause keine Seltenheit. Und für den obligatorischen Café (Espresso) am Ende des Menu ist immer Zeit.

Wenn der Franzose mal nicht ins Restaurant essen geht, gibt er sich auch mit einem belegten Baguette und einem Getränk aus der Dose oder Flasche zufrieden. Ein Café zum Abschluss muss aber auch dann sein. Den holt er sich

"To go“ in der nächsten boulangerie (Bäckerei) oder an einem Verkaufsstand.



Das Goûter, der süße Zwischenimbiss für Kids

Die Schultage sind lang in Frankreich. Sehr lang! Und wenn die Kinder gegen 17 Uhr (oftmals auch noch später) aus der Schule von bürogestressten Eltern abgeholt werden, dann gibt es erstmal einen Imbiss (Goûter) schon am Schultor. Früher war das einfach ein Apfel oder auch eine Banane. Heute sind es meist ungesunde, spezielle „Goûter"- Kekse, Donuts, ein Pain au Chocolat oder auch schon mal zwei. Nicht sehr gesund aber allerorts üblich. Das Goûter überbrückt dann die lange Zeit bis zum Abendessen, denn der Franzose geht meist nicht vor 20.30 Uhr oder 21 Uhr an den Abendtisch.




Das Apéro - die schönste Art den Abend einzuläuten



Für mich ist es eine der schönsten Traditionen, die ich in Frankreich kennenlernen durfte. Und eine, die ich unter keinen Umständen mehr missen möchte. Wenn Du schon mal in Frankreich unterwegs warst, dann weißt Du sicher, daß diese Tradition überall ein fast heiliges Ritual ist. Unter einem Apéro oder Aperitif versteht man nicht (nur) das Glas Alkohol, wie man in Deutschland häufig meint. Sondern es ist eine Form der Geselligkeit, bei der neben einem Glas Wein, Pastis, eisgekühltem Rosé oder Champagner (!) sowie kleinen Snacks der Abend eingeläutet wird. Meist an den Wochenenden, aber auch nach Büroschluss wird sich mit Kollegen oder Freunden noch zum Apéro in einer Bar oder privat zu Hause verabredet. Franzosen arbeiten sehr lange; oft weit über 18 Uhr hinaus. Da ist ein Apéro die ideale Gelegenheit, den Bürotag abzuschütteln und in den Privatmodus zu schalten. 19 Uhr ist dabei eine gute Zeit für ein gemeinsames Glas. Kurz vor dem - für deutsche Verhältnisse sehr späten - Abendessen geht man dann wieder auseinander.

Wenn es bei einem privaten Apéro ganz gemütlich zugeht, wird man auch schon mal spontan eingeladen zum Abendessen zu bleiben. Diese Aufforderung ist herzlich gemeint! Euer eigenes geplantes Abendessen kann also getrost bis morgen warten! Diese spezielle, sehr französische Gastfreundlichkeit ist einfach unbezahlbar. Und eins ist sicher: es ist die beste Gelegenheit, jede Menge Geschichten und Anekdoten aus Deinem Frankreichurlaub mit nach Hause zu nehmen. Also: Die Einladung unbedingt annehmen!

Eine Besonderheit dieses Aperitifs, ist das "Apéro Dinatoire“, ein ausgedehntes und sättigendes Apéro. Da wird dann einfach zeitlich nach hinten verlängert und so viel an warmen und kalten Snacks gereicht, dass sie ein klassisches Abendessen locker ersetzen! Wunderbar!



Abendessen - Achtung, spät zu Tisch!


Meine ersten Einladungen zum Abendessen um 19 Uhr, die ich in Frankreich ausgesprochen habe, sind mir noch gut in Erinnerung. Ich lade gerne Gäste ein, bin gesellig und koche passioniert und sehr gerne. Dafür hab ich mir ein relativ genaues Timing antrainiert und mein Essen gilt als sehr lecker. 6-8 Gäste + mir selber werden dann bekocht und mit viel Freude bewirtet.


Aber ich bin kein Küchenchef eines Restaurants. Alles muss ich eben selber vorbereiten und organisieren. Ist ja normal.


Dann ist der Abend da:

Nochmals alles checken. Apéro Snacks in Schälchen verteilt✔️, Tisch gedeckt✔️, Deko perfekt✔️, Vorspeise ready✔️, Baguette geschnitten✔️, Essen im Ofen✔️. Kann also losgehen…


Dachte ich... Nur, meine Gäste waren weder um 19 Uhr da, noch haben sie um

20 Uhr an der Tür geklingelt. Gefühlte 15 verkochte Hauptgerichte und zusammengefallene Salate später habe ich dann endlich kapiert, dass Franzosen

  1. ein sehr eigenes Zeitempfinden haben und

  2. selten vor 20.30 Uhr zu Einladungen erscheinen, selbst wenn die Einladungszeit 19 Uhr kommuniziert wurde.

Das gleiche gilt übrigens, wenn Du selber eingeladen bist. Solltest Du also meinen, um 19 Uhr bei Deiner Einladung zu erscheinen, ist der Hausherr gerade entspannt am Rasenmähen und die Gastgeberin noch unter der Dusche oder beim Friseur (!) Wahre Geschichte! Ich hatte in Frankreich schon ein paar sehr kuriose Momente. Aber mit viel französischem Charme und mit einem schnell in die Hand gedrückten Glas Champagner oder Weißwein wird man ganz ungestresst gebeten, eben solange zu warten. Ein paar Chips dazu, so einfach kann das Leben sein.

Außerdem ist man selten der einzige Gast. Man kann durchaus damit rechnen, dass es locker mal 15 bis 20 Personen werden. Zum Abendessen (!) Tja, und da trudelt dann eben jeder ein, wenn es passt. Normalerweise so gegen 20:30 Uhr, spätestens 21 Uhr. Aber es kommen eben auch schon mal ein paar letzte, sehr verspätete Gäste erst gegen 22 Uhr. Das wird dann in großer Runde recht locker genommen, viel gelacht und getrunken und eben gewartet, bis alle da sind.


Ich habe nicht nur einmal meine Vorspeise (!) erst um 23.30 Uhr serviert bekommen. LOL 😂 Aber dafür gibt es ja - genau - den Apéro!!!! Verhungern muss also in Frankreich keiner. Man sollte nur vieeel Zeit und Humor mitbringen und deutsche Gepflogenheiten eben dort lassen, wo sie hingehören - in Deutschland eben!


Viel Spaß bei Deiner nächsten Städtereise nach Frankreich!

Bis dahin

Herzlichst Monika

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